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Nachdem mein Baby dann knapp 8 Wochen zu früh auf der Welt war, ist genau dieser Zustand eingetreten. Von dem Samstag und Sonntag, also dem Wochenende an dem er geboren wurde, weiß ich nicht mehr viel. Ich war unendlich müde, habe fast nur geschlafen, bin auf der Betreuungsintensivstation gelandet. Der Blutdruck hat noch immer völlig verrückt gespielt.

Aber was ich noch weiß ist, dass ich sofort – als ich einmal wach war – wusste, dass mein Baby meine Milch braucht, und diese irgendwie zu ihm gelangen muss. Das war vielleicht ne Fummlerei :/ Ein Kaiserschnitt ist eine OP, was bedeutet das Schmerzen unumgänglich sind, ein alleiniges aufstehen unmöglich ist, und du die ersten Tag, sofern man überhaupt aufstehen kann an den Rollstuhl gefesselt ist. So war es zumindestens bei mir, Ausnahmen bestätigen sicher die Regel. Die Milch musste also aus meiner Brust zum Baby in den Brutkasten, auf die Frühchenintensivstation eine Etage tiefer. Wir, mein Mann und ich haben das irgendwie geschafft. Die ersten Milliliter aus der Brust ausgedrückt, mit einer kleine Spritze aufgefangen, und er hat sie dann zum Baby gebracht.

Von dem Zeitpunkt an, ab dem ich wieder auf der normalen Wöchnerinnen Station war, zwei Tage später, fing ich selber an alle 3 Stunden meine Milch für das Baby abzupumpen. Wobei das stimmt nicht, das fing ich schon an als ich noch auf der Intensivstation lag, mit Unterstützung der Schwestern die mich dann alle 3 Stunden weckten, und mir die Pumputensilien reichten. Alle 3 Stunde. Ein wahnsinns Aufwand, aber mein Baby hatte ein Recht auf diese Milch, und ich die Pflicht ihm diese zukommen zu lassen.

An dieser Stelle möchte ich sämtlichen Müttern die gerade am überlegen sind mit was sie ihr Neugeborenes füttern soll auf diesen Satz aufmerksam machen: Das Baby hat das Recht das beste zu bekommen was eine Mutter ihm geben kann, und das ist und bleibt Muttermilch! Die Mutter hingegen hat die Pflicht ihr Kind mit dem besten zu versorgen was sie zu bieten hat. Viel zu oft höre ich “ das hat nicht geklappt, das Baby wollte nicht, ich hatte keine Milch“ etc etc etc. Wären diese Frauen – auch hier möchte ich klar sagen das es zu 100% Frauen gibt bei denen es tatsächlich AUS WELCHEN GRÜNDEN auch immer nicht klappt, aber das sind Ausnahmen, nicht die Regel-  wenigstens ehrlich, würden sie zugeben das es einfach zu unangenehm ja manchmal auch schmerzhaft ist bzw zu aufwendig ist. Mir schwillt dabei jedes Mal der Kamm, wenn ich fadenscheinige Ausreden höre –  verzeiht mir meine Ehrlichkeit – aber Muttersein bedeutet Verantwortung und Pflichten zu übernehmen, und ein Neugeborenes hat Rechte. Es hat das Recht das beste zu bekommen was seine Mutter ihm bieten kann.

Der erste Besuch bei meinem Baby war unglaublich grausam. Ich kam in sein Zimmer und fing hemmungslos an zu weinen. Dieser seelische Schmerz war so schlimm, so unfassbar brutal. Da lag dieser kleine Engel, angeschlossen an unendlich viele Kabel, in einem für ihn viel zu großem Inkubator. Durchgeschüttelt von meinem Weinkrampf, schob mich mein Mann, ich saß im Rollstuhl weil ich mich nicht alleine auf den Beinen halten konnte, ganz nah an ihn ran damit ich ihn anfassen konnte. Die Windel war ihm viel zu groß und nochmal umgeschlagen, in seinem winzigem Näschen befand sich ein CPAP welcher ihn beim atmen unterstützte, und in seinen Mund führte ein schmaler Schlauch, die Magensonde. Auf seiner Brust klebten drei weitere Elektroden mit Kabeln, in seinem Bauchnabel steckte ein Katheter, und in seinem winzigen Händchen steckt ein weiterer Zugang. Eines seiner Füsschen war auch noch mit einem Messgerät umwickelt und mit einem Kaben verbunden.  Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so haltlos geweint wie in diesem Moment. Die Tränen sind mir in Strömen runter gelaufen, und ich konnte nichts dagegen tun. Nie hab ich so seelische Schmerzen fühlen müssen. Mein Herz war nun endgültig gebrochen, die Schuldgefühle kaum auszuhalten. Das musste mein Baby ertragen weil MEIN Körper gestreikt hatte, weil er nicht in MEINEM Bauch bleiben konnte. Ich wusste ich konnte nichts dafür, wir hätten beide sterben können, aber ich kam gegen diese Schuldgefühl nicht an. Die Schwestern nahmen ihn aus seinem für ihn gebauten Nestchen raus, und legte ihn mir in meine Arme. Diese zarte, winzige, kleine Wesen, war mein Sohn.

In der Zeit in der mein Sohn auf der Frühchenintensivstation lag, hat die Welt außen rum aufgehört sich zu drehen, sie stand einfach still. Ich befand mich in einem „funktionieren“ Modus, der vermutlich auch verhinderte großartig Gefühle zuzulassen.  Solange ich selber noch stationär im Krankenhaus war, hielt sich der Zustand in Grenzen. Ich braucht mit meiner frischen Bauchwunde zwar ewig um von meinem Zimmer zu meinem Baby zu gelangen, aber ich hatte keine extra Fahrtwege, musste nicht selber für Mahlzeiten sorgen.

Sobald ich entlassen war, übrigens nicht ohne Medikamente für den Blutdruck, der ließ sich einfach nicht bändigen, funktionierte ich nur noch. Morgens um acht, war ich bei meinem Herzchen, hatte ihn im wechsel auf der Brust unter mein T-Shirt, da passt er wunderbar rein, oder pumpte Milch für ihn ab. Jeden Abend um 17 Uhr musste ich von ihm gehen, die beiden großen Jungs wollten auch etwas von ihrer Mama, aber jeden Abend verabschiedete ich mich weinend von ihm. Ihn dort lassen zu müssen, auch wenn ich wusste das es sein muss und er bestens aufgehoben ist, war schrecklich. Nach 3 Wochen hatte ich durch die ständige und gleiche Sitzhaltung grässliche Rückenschmerzen und bat um ein Bett in seinem Zimmer um mich selber auch hinlegen zu können.

So verging die Zeit, Tag für Tag genau der selbe Ablauf. Besucher durften keine zu ihm ins Zimmer, auch seine großen Brüder durften ihn nicht besuchen. Nur Mama und Papa durften zu ihm ins Zimmer. Alle anderen durften ihn nur von draußen durch ein großes Fenster sehen.

Die Welt fing sich wieder an zu drehen als ich die Nachricht bekam, das ich meinen Sohn endlich mit Nachhause nehmen darf. Er  bzw wir hatten gelernt an der Brust zu trinken,  er konnte seine Körpertemperatur selber halten und er hatte ein Gewicht erreicht mit dem er entlassen werden konnte, nämlich 2100gr.

Wir holten die beiden großen Jungs von der Schule ab, diesen Moment wollten wir als Familie alle zusammen erleben und auch den Großen ermöglichen, denn auch sie durften endlich ihren Bruder persönlich kennen lernen. Sehr emotional war dieses kennen lernen, die stolzen großen Brüder strahlten über das ganze Gesicht als sie den kleinen Winzling endlich einmal halten durften. So süß waren sie mit ihm. Mami weinte vor Glück, und Papa hielt diese Momente mit der Kamera fest. Raum und Zeit waren völlig egal. Wir waren endlich alle zusammen, konnten eine Familie werden, durften nachholen was wir direkt nach der Geburt verpasst hatten.