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Schuldgefühle sind was ganz ätzendes. Dagegen komme ich persönlich sehr schwer, bis gar nicht an. In meinen letzten Artikeln habe ich über die Schuldgefühle gegenüber meines zu früh geborenen Sohnes gesprochen. Diese waren erdrückend, und ganz genau genommen habe ich sie noch immer, wenn auch bei weitem nicht mehr so stark. Sie waren so stark das ich mir die vielen Bilder die den „Zauber des Anfangs“ einfangen und verewigen sollten, nicht anschauen konnte ohne wieder los zu schluchzen und Ströme an Tränen zu weinen. Eigentlich heißt es Tränen reinigen die Seele, und man soll sie sich erlauben. Weinen ist wichtig, aber diese waren an der falschen Stelle vergossen. Denn ich habe sie vergossen weil ich mir, bzw meinem Körper, die Schuld gab das mein Sohn zu früh geboren werden musste.

Ich möchte mir aber all die Bilder anschauen können, deshalb habe ich einen wundervollen Menschen, eine ganz liebe und tolle Seele, um Hilfe und Unterstützung gebeten, eigentlich „nur“ um das Erlebte rund um die traumatische Geburt und die Zeit danach aufzuarbeiten. Zweimal war ich jetzt bei dieser heilenden Seele, und mittlerweile ist mir bewusst geworden, dass diese Schuldgefühle nur die Spitze eines Kilometer hohen Eisberges waren.

Um das zu erklären muss ich weiter ausholen. Das fällt mir nicht leicht, denn es führt tief in meine Vergangenheit, weit in mein privates Ich und über dieses habe ich nie zuvor öffentlich gesprochen. Aber es ist ein Teil von mir, gehört zu meiner Biografie und damit zu meinem Sein. Auch darüber zu schreiben ist Teil des Verarbeitens, Frieden und Heilung für die Seele zu erlangen.

Ich habe insgesamt 3 Schwestern. Wir sind in einem Elternhaus groß geworden welches von funktionieren und ja eigentlich „spuren, im Sinne von dem befohlenem Folge zu leisten“ geprägt war. Meine Mutter hat uns misshandelt und  rumkommandiert. Es gab Dienste, die weit über das kindliche mithelfen in einer Familie hinaus gingen, genau genommen schmissen wir drei „großen“ Mädchen ab einem bestimmten Alter mehr oder weniger den Haushalt alleine. Ebenso den Garten, sowie die Hinterlassenschaften der riesigen Hunde meiner Eltern in ihm. Wenn etwas nicht so lief wie befohlen, fiel, nicht immer aber des Öfteren, der „Watschenbaum“, wie ihn mein Vater verharmlosend nannte, um. Dieser „Watschenbaum“ war gut und gerne der Gürtel auf dem nackten Po vorne über die Badewanne gebeugt, bei jedem Schlag musste laut mitgezählt werden, oder auch die Köpfe meiner Schwester und mir welche mit Schmackes zusammengeknallt wurden. Alternativ zum „Watschenbaum“ gab es natürliche etliche andere Strafen…

Vieles habe ich so tief in meinem inneren vergraben, dass ich mich selber nicht mal mehr daran erinnern kann. Andere Erinnerungen wurden bei meinen epileptischen Anfällen glücklicherweise gelöscht. Aber alles hat zu einem geführt: Jedes Kind wünscht sich von seiner Mutter nur eines, nämlich geliebt zu werden. Darf es diese Liebe nicht spüren, wird gequält, ausgenutzt/benutzt und misshandelt führt jedes Kind das unweigerlich auf sich zurück und: SUCHT DIE SCHULD BEI SICH! Da haben wir sie: die Schuld! Was habe ICH falsch gemacht bzw was muss ICH anders machen damit mich Mama lieb hat und MIR nicht weh tut. Von Klein auf habe ich versucht meiner Mutter zu gefallen, wollte immer alles richtig und gut machen. Das hat natürlich nicht funktioniert, ich war ein Kind. Natürlich kam ich schmutzig nach Hause, habe Sachen kaputt gemacht oder auch mal gelogen. Dafür gab es Konsequenzen, und ich war selbst Schuld an diesen Konsequenzen, so dachte ich. Mein inneres Kind, ICH habe mich an das funktionieren, an das „alles perfekt machen wollen“ gewohnt, und eigentlich wollte ich nur geliebt werden, gefallen.

Mein Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein ist durch mein liebloses Elternhaus nachhaltig und bis heute zerstört. Ich kann mich selber nicht gut leiden, nehme alles sehr persönlich, aber grundsätzlich mit der selben Erklärung hin „ist ja klar, wer soll dich schon mögen/lieben/mit dir Zeit verbringen wollen“.

Mühsam muss ich langsam lernen das ich ein Mensch bin, Fehler machen darf und nicht an den Unzulänglichkeiten meiner Eltern Schuld hatte, denn wer hier versagt hat liegt ganz klar auf der Hand. Ich muss nicht perfekt sein und ich habe keine Schuld an den Dingen die geschehen, wie auch an der frühzeitigen Geburt meines Sohnes. Ich konnte nichts dafür, denn ich habe nichts getan was ihm geschadet hätte, wie z.B. in der Schwangerschaft geraucht oder Alkohol getrunken. Wäre dem so gewesen, hätten die Vorwürfe ihre Berechtigung gehabt, aber so nicht. Ich habe mein Baby ab dem positiven Schwangerschaftstest geliebt und habe alles getan damit es gesund in meinem Bauch heranwachsen kann. Ich habe bei meinen Kindern die Entscheidung getroffen anders zu sein wie meine Mutter es war. Ich liebe meine Kinder und werde sie in allem fördern und unterstützen. Allem voran dürfen sie Kind sein. Diese Entscheidung hätte auch meine Mutter gehabt, sie hat sich aber anders entschieden. Die Konsequenzen für ihr Handeln muss sie heute auch selbst tragen.

Diese Dinge langsam zu begreifen, sich selbst anfangen wert zu schätzen und auch langsam mit sich selbst anzufreunden ist ein Prozess, den ich nun angestoßen habe. Es fühlt sich ungewohnt an, brauch definitiv Mut und den Willen sich sich selbst zu stellen. Er sind Tränen geflossen und ich habe laut geflucht und nach dem Warum gefragt, das wird auch sicher noch häufiger passieren, aber am Ende werde ich meinen Frieden und damit meine offenen, aber tief verborgenen, Wunden heilen. Denn es war nicht meine Schuld!

Ich weiß, dass es viele Menschen da draußen gibt, die ähnliches/gleiches oder noch viel schlimmere Misshandlung, in welcher Form auch immer, erfahren haben und nicht darüber reden. Ich möchte dir eines sagen: Es ist und war nicht deine Schuld! Versuche dich von diesem Gedanken, ja eigentlich Zwang, zu befreien. Du bist gut so, genau so wie du bist,