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Am morgen des 14. Oktober wachte ich auf, hörte auf dem rechten Ohr schlecht, und hatte ein rauschen im Ohr. Ich nahm das zur Kenntnis, sagte das meinem Mann auch, schenkte dem ganzen aber selber keine besonders große Aufmerksamkeit, weil ich mich wohl fühlte.

Wir fuhren mit den Kindern zu meiner Freundin zum Haar schneiden, und nachdem diese im selben Ort lebt wie meine Schwiegereltern fuhren wir im Anschluss zu diesen weiter. Mein Schwiegervater kämpfte zu diesem Zeitpunkt gerade etwas mit Bluthochdruck und nachdem auf dem Tisch ein Blutdruckmessgerät lag, beschloss ich kurzerhand meinen ebenfalls zu messen. Gesagt getan – mit erschreckendem Ergebnis.

152/ 92!!!

Viel zu hoch! Ich rief meine Hebamme an, Bluthochdruck in der Schwangerschaft ist mir nicht unbekannt, da ich bei meinem ersten Sohn eine Schwangerschaftsvergiftung hatte, welche zu dem umgehenden Notkaiserschnitt geführt hatte. Jana, meine Hebamme, bestätigte mir meine Befürchtung und schickte mich zur Kontrolle ins Krankenhaus. Da fuhr ich hin, in der Annahme ein paar Medikamente gegen den Bluthochdruck zu bekommen, und in ein paar Stunden wieder Zuhause zu sein. Damit irrte ich mich leider gewaltig.

Dort angekommen wurde ich ans CTG geschnallt, und einige weitere Tests wurden durchgeführt. Es dauerte ein paar Stunden, aber als die diensthabenden Ärztin zurückkam verriet ihr Blick nichts gutes. Der Blutdruck war weiter angestiegen und auch alle anderen Test waren  grottenschlecht ausgefallen, ich musste für weitere 24 Stunden Tests im Krankenhaus bleiben.

Was für ein Schlag direkt in die Magengrube. Der Tag hatte so super schön angefangen, ich war so völlig unvorbereitet auf das ganze Geschehen, dass ich erst gar nicht glauben konnte was da gerade passierte. Angst und Panik machte sich rasend schnell breit. Nicht schon wieder!!! Bitte das durfte nicht sein, ich hatte alles so perfekt und anderes geplant! Und das Baby, fast 9 Wochen zu früh, ich betete dass das alles gut geht! Dazu kamen die Sorgen um meine beiden „großen“ Jungs. Wie lang würde ich ohne sie, und sie ohne mich auskommen müssen? Würden sie mit meinem Mann, ihrem Papa, alleine klar kommen? Wie würde mein Mann mit ihnen, dem Haushalt und all dem Alltagskram zurechtkommen?

Ich blieb im Krankenhaus, bekam ein Zimmer zugewiesen und am nächsten Tag gingen die Tests los. Ich bekam Medikamente gegen den steigenden Blutdruck, und so wollte man versuchen die Geburt aufzuschieben. Zu dem Zeitpunkt war ich in der 31+3 Schwangerschaftswoche. Nachdem die 24 Stunden Tests ausgewertet waren, kam die Ärztin und nahm mir die Hoffnung das Baby bis zum errechneten Termin in 9 Wochen austragen zu können, sie gab mir wenn überhaupt noch höchstens 3 Wochen.

Was für ein riesen Schock, ich fing an hemmungslos los zu schluchzen und zu weinen. Mein Plan und Wunsch nach der friedlichen selbstbestimmten Geburt war dahin. Das traf mich so knallhart, so völlig unvorbereitet wie nichts anderes je zuvor. Ich hatte schreckliche Angst vor einem weiteren Kaiserschnitt und auch um das Leben meines viel zu kleinem Babys. An mich oder mein Gesundheit dachte ich in diesem Moment keine Sekunde.

Ab diesem Tag wurde täglich 2x ein CTG geschrieben, 6x am Tag wurde der Blutdruck kontrolliert, und täglich wurde ich gewogen um die Gewichtszunahme zu kontrollieren. Es wurden sämtliche Vorbereitungen getroffen für einen plötzlich notwendig werdenden Kaiserschnitt. Ärzte der Frühchen Intensivstation stellten sich uns vor, und klärten uns genauesten auf was auf uns und unser Baby als Frühchen zukommen wird. Ich bzw mein Mann und ich waren zu mindestens gut aufgeklärt und informiert.

Nach 4 Tagen Krankenhausaufenthalt fühlte ich mich wie Fatso aus dem Film Casper. Ich hatte innerhalb einer Nacht Sage und Schreibe 3!!! kg zugenommen, Wasser eingelagert. Das Ärzteteam stand dem ganzen Geschehen machtlos gegenüber, auch der ständig ansteigende Blutdruck war trotz Medikamente nicht in den Griff zu bekommen.

Einen weiteren Tag später, Freitag dem 19.Oktober wachte ich auf, und bekam schlecht Luft. Ich maß dem Zustand aber keine große Bedeutung bei, den ich hatte über Nacht weitere 2 kg zugenommen, also Wasser eingelagert, und auch mein Bauch war ja bewohnt, und dieser Bewohner machte sich vermutlich breit, so dachte ich. Ich erwähnte also nichts davon bei der Visite und freute mich auf den Besuch meiner Familie und Schwiegereltern. Es war ein herrlicher spätsommerlicher Tag, wir gingen im Park spazieren – wobei ich wohl eher watschelte 😀 – , genossen die warme Sonne und das Beisammensein. Ein wirklich schöner Tag.

Abends stand dann wieder die CTG Kontrolle an. Ich verabredete mich mit meinen Jungs zum allabendlichen „FaceTimen“, wollte davor aber noch schnell duschen und eben die CTG Kontrolle hinter mich bringen. Ich marschierte zum Kreißsaal, und erzählte der diensthabenden Hebamme, auf ihre Frage nach meinem Wohlbefinden, das ich schlecht Luft bekäme dies aber wohl normal wäre. Die Hebamme schaute mich merkwürdig an und sagte, das dies eigentlich nicht normal sei.

Tja und da war auch nichts mehr normal. Das HELLP Syndrom schlug nun endgültig zu, auch ein Lungenödem hatte sich gebildet. Die Herztöne des Babys vielen ein paar mal während des CTGs ab, auch er merkte wohl das mein Körper anfing zu streiken. Lisa die Hebamme, riet mir meinen Mann, der erst vor ein paar Stunden heim gefahren war, wieder zurück zu holen, damit er falls es wirklich los ging da ist. Das Ärzteteam hielt nochmal eine Besprechung ab, und gemeinsam wurde beschlossen das Baby, lieber jetzt wo noch alles mehr oder weniger in Ruhe gemacht werden kann, zu holen.

Ich wurde für den Kaiserschnitt, vor dem ich so schreckliche Angst hatte, vorbereitet, und um kurz nach Mitternacht zum 20. Oktober ging es in den Operationssaal.

An dieser Stelle muss ich sagen das der Kaiserschnitt an sich, also nur die OP, in Ordnung war. Das OP-Team war super lieb und auch Lisa die Hebamme war einfach fantastisch. Einfühlsam, freundlich und trotz dem Ernst der Lage zu Späßchen und einem „Trascht“ aufgelegt, was dem ganzen ein wenig den Schrecken nahm. Das nahm mir viel meiner Panik, was dringen notwendig war. Dem Wunsch, mein kleines Baby nach der Geburt nicht sofort weggenommen zu bekommen, kam Lisa, auch in dieser ernsten Lage nach. Die PDA saß endlich – nach 11!! Versuchen- die Ärztin legte los und dann hörte ich mein Würmchen auch schon fiepen. Ein paar Sekunden später kam Lisa mit ihm ums Abdecktuch.

Um 00:50 erblickte mein Sohn mit 44 cm und 1490 gr das Licht der Welt.

Er war so zart und winzig, mein Herz zerbrach ich tausend Teile, die Schuldgefühle ihm gegenüber trieben mir haltlos die Tränen in die Augen. Ich durfte kurz an ihm schnuppern und ihn küssen, ich entschuldigte mich bei ihm, dann musste er zu den wartenden Kinderärzte und ich bekam etwas zur Beruhigung gespritzt, wovon ich sofort einschlief.

Das war also mein „perfektes selbstbestimmtes“ Geburtserlebnis.

Es hätte noch viel schlimmer kommen können, das ist mir durchaus bewusst. Einer von uns beiden, oder auch wir beide, hätte sterben können. Aber dass das Leben so unerbittlich und hart ist, und eben kein Wunschkonzert ist, durfte ich an dieser Stelle ganz neu erfahren.